Life in NYC and Bed-Stuy

Freitag, 16.09.2022

9/11 – auch wenn seitdem bereits wieder einige Tage vergangen sind, war es das Thema der letzten Woche. Zur offiziellen Zeremonie, mit der anwesenden Vice President Kamela Harris an einem symbolisch verregneten Sonntagmorgen, habe ich mich leider nicht aufraffen können. Im Nachmittag schnappte ich mir jedoch den Regenschirm, nahm den J-Train nach Manhattan und besuchte die Gedenkstätten.
Die in der Luft hängende Stimmung an diesem Ort war echt herzergreifend! Tausende, trauernde Angehörige kehrten an den Ort zurück, an dem sie ihre Freunde und/oder Familienangehörige durch die Anschläge verloren. Das trübe, regnerische Wetter wurde jedoch durch ein beeindruckendes Blumenmeer erleuchtet.
Am Abend erhellte die Stadt erneut durch zwei bis gefühlt ins Universum ragende Lichtkegel, welche den Twin-Towers sowie den Verstorbenen die nötige Ehre erweisen. Man nennt sie auch Tribute in Light.

Den Tag zuvor verbrachte ich erneut mit Guy, der mir auch seine Meinung über den 11. September bei einem Bier im Biergarten schilderte. Auch er bestätigte, dass es ein Ereignis gewesen sei, welches das Land gespaltet und verändert hätte. Geprägt von Wut, Ärger und Unverständnis könne er es nicht begreifen wie viele Kriege in Nah-Ost seitdem geführt wurden, wie viele US-Militärstützpunkte weltweit errichtet wurden und vor allem wie viele Milliarden US-Dollar $$ seither verpulvert wurden, wo es dem eignen Land doch an einem intakten Gesundheitssystem, verbesserungswürdigen Bildungseinrichtungen und einer vernünftigen Infrastruktur fehle…
Nun aber genug von 9/11!

Der slush-ice-coffee und die typisch-amerikanischen Burger bei Comfortland in Queens waren echt schmackofatz! Auch die anschließende, meilenlange Fahrradtour quer durch Brooklyn und Queens am East River entlang, war sehr beeindruckend. Selbst nach Wochen muss man immer noch Lächeln und Grinsen, wenn man die Skyline Manhattans am anderen Flussufer sieht.

Die Schule diese Woche war einfach nur langweilig! Auch wenn ich diese Woche zwei Tage frei bekam, verbrachte ich die anderen drei von morgens 9 bis nachmittags um 3 im Prospect Park auf einer Bank. Während die Schüler*innen ein improvisiertes Outdoor-Programm von externen Dienstleistern erhielten, welches aus Fußball, Theater, Creative Writing und Capoeira bestand, verbrachten wir Lehrkräfte die Tage mit Kaffeetrinken, Kartenspielen, Schläfchen, Sonnen und vor allem lästern: 

 „Ich habe doch nicht zich Jahre studiert, um jetzt hier den Babysitter zu spielen.“ 

Es ist echt chaotisch momentan! Lehrer*innen fühlen sich hintergangen, da nicht offen miteinander kommuniziert wird, Schüler*innen haben keine Lust mehr auf Outdoor-Programme und die Eltern fangen an sich über die akademische Bildung ihrer Kinder Sorgen zu machen. Eine Privatschule, für die horrende Summen monatlich gezahlt werden muss und die kein Schulgebäude aufweisen kann, darf sich eigentlich auch nicht wundern, dass es zu ersten Äußerungen kommt. Zur Euphorie aller wurde uns vom Schulleiter nun auch mitgeteilt, dass erst frühestens Mitte Oktober das neue Gebäude einzugsbereit ist. Für die kommenden Wochen wurden der Schule jedoch nun provisorische Klassenräume im Goethe-Institut in Manhattan zur Verfügung gestellt.

Im nächsten Abschnitt will ich ein wenig über das wahre New-Yorker Stadtleben erzählen und euch berichten, wie mein erster Eindruck in meiner Nachbarschaft war.

New York ist unbeschreiblich riesig. Auch wenn man sich bereits auf längere Entfernungen eingestellt hat, braucht man in der Regel immer noch länger, um von A nach B zu kommen. An das bestens ausgebaute U-Bahn Netzwerk der Stadt hat man sich nach einigen Fahrten in die falsche Richtung jedoch auch gewöhnt.

Jede einzelne U-Bahn Fahrt ein Erlebnis für sich. Leute spielen Posaune, fangen Rap-oder Dance-Battles an, nutzen die freie Fläche zum Skaten oder Sehen einfach nur interessant aus. Jeder vorstellbare Klamottenstil sowie jede Art von Kultur ist vertreten und alle haben dasselbe Ziel – die auf 16Grad klimatisierte Bahn durch die fast 40Grad stickigen Stationen der Unterwelt zu verlassen, um auf die Straße zu gelangen.

Mein Stadtteil Bedford-Stuyvesant in Brooklyn ist eine African American Neighborhood. Ohne jegliche Vorstellungen bin ich vor 3 Wochen in meine Wohnung eingezogen und habe mich ehrlich gesagt die ersten Tage etwas unwohl gefühlt. Selbst in meiner sehr russisch besiedelten Gegend in Riga vor drei Jahren habe ich es anfangs besser empfunden. Ohne jegliche Vorurteile zu haben, war es schlicht ein neues, unwohles Gefühl.

Jede einzelne Person ist farbig - die Leute im Haus, die Nachbarn, jeder der die Straße entlangläuft. Der einzige weiße im Supermarkt oder der einzige weiße in einem vollen Bus zu sein, verändert deine Sicht- und Denkweise in vielen Bereichen. Ich würde behaupten:

 „You just have to experience it once!”

Wochen später hat sich das Blatt um 180Grad gewendet. Mit der niedlichen, älteren Dame aus dem 1.Stock unterhalte ich mich täglich, wenn sie mit ihren zwei Hunden Gassi geht, ihr Neffe hilft uns bei Kleinigkeiten in der Wohnung und auf den Straßen wird man so akzeptiert wie man ist! Man hat sich einfach dran gewöhnt.
Dennoch ist es einfach eine andere Kultur, die man tag täglich beobachten kann. Die Straßen sind rund um die Uhr von einer Marihuana Wolke überzogen, mit auf gepimpten Chopper-Bikes, getunten Dodges oder protzigen Amischlitten wird bei Rap oder Bob-Marley Musik angegeben und es wird in Großgruppen studnenlang auf der Straße rumgelungert.

Sonntags um 10 vereint jedoch alle eins - der Gottesdienst in einer der vielen Kirchen ums Eck. Gut gekleidet verlassen sie ihre Häuser und laufen die Straße hinunter.

Fazit: Eine life-lesson, die meinen Horizont sowie meine Denk-und Sichtweise wieder erweitert hat!

Am Wochenende werde ich meinem Kölner Mitbewohner Flo, der gerade mit dem Rad auf dem Weg nach Lissabon ist, etwas Konkurrenz machen……

Stay tuned for the next episode,
Tim